Das wohl einschneidenste Erlebnis in unserem Indonesienurlaub, neben dem verpassten Flug und dem heftigen Vulkanabstieg, war zweifelsohne die hautnahe Begegnung mit dem Orang Utan-Weibchen. Viele Leute haben mich seitdem angesprochen und wollten Genaueres wissen. Die häufigste Frage aber war, ob ich Angst hatte. Das hat mich etwas zum Grübeln gebracht und bewogen diesen Post hier zu schreiben.
Umgang mit der Angst
Angst ist anscheinend so ein elementares Gefühl, dass sie höher im Kurs steht, als Informationen über ein Lebewesen, das vom Aussterben bedroht ist. Ja, Angst kann lähmen, sie hält uns davon ab verrückte Dinge zu tun, aber sie verhindert auch, dass wir bestimmte Sachen machen, auf die wir hinterher stolz wären oder die unser Leben verändern würden. Angst ist ein Jahrmillionen altes Gefühl, was uns damals in der Steinzeit unsere Haut gerettet und unsere Sinne in bedrohlichen Situationen geschärft hat – aber heutzutage? Das Gefühl ist so tief verwurzelt in uns, dass es bei vielen Leuten das Leben bestimmt. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann nimmt sie auch ganz langsam zu, je älter wir werden.
Klar habe ich vor so einem DIY-Urlaub erstmal Angst, ich habe eine blühende Fantasie und kann mir wunderbar ausmalen, was alles passieren könnte in so einem fernen Land wie Indonesien. Aber hat es mich davon abgehalten die Reise anzutreten? Zum Glück nein, denn der Preis den man für Angst erhält, sind unvergessliche Abenteuer und Erlebnisse, die sich ganz tief in mein Gehirn eingebrannt haben, die mich aufbauen und motivieren, wenn es mal nicht so gut laufen sollte und an die ich mich noch in vielen, vielen Jahren in allen Einzelheiten erinnern werde.
Aber vor was haben wir eigentlich Angst?
Meist ist es die Angst vor dem Unbekannten, welche uns z.B. abhält, in die Ferne zu reisen. Aber selbst in unserem eigenen Land haben wir Angst vor Ausländern. Also grob gesagt: Alles was uns fremd ist, macht uns Angst. Sich diesen Gefühlen zu stellen und sie zu überwinden ist eine echte Herausforderung.
Aber sobald man den Boden des Landes betreten hat, merkt man plötzlich, dass diese Angst völlig unbegründet war. Vorurteile, die man hatte, lösen sich plötzlich in Wohlgefallen auf und man bekommt ganz andere Sichtweisen, weil man die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten kann. Niemals wäre ich freiwillig nach Jakarta gefahren, wenn wir den Flug nicht verpasst hätten, aber so haben wir einen echt tollen Tag dort verbracht und vieles erscheint nun in einem ganz anderen Licht.
Ebenso verhält es sich mit Ausländern, sobald sie einen Namen und ein Gesicht haben, sind sie nicht mehr furchteinflößend, sondern ganz normale Menschen, die mitunter ein Wagnis auf sich genommen haben, das absolut lebensbedrohlich war. Im Vergleich dazu ist so eine DIY-Reise ein wahrer Spaziergang dagegen, denn was kann uns den schon passieren? Nicht viel mehr, was uns auch zuhause zustoßen könnte.
Raus aus der Komfortzone
Wenn man, so wie wir, sich seinen Urlaub selbst organisiert, dann nimmt man bewusst in Kauf, seine Komfortzone zu verlassen und sich seinen Ängsten zu stellen – wahrlich nicht einfach manchmal. Ich könnte aus dem Stehgreif bestimmt mehr als 20 Punkte aufschreiben, vor denen ich vor einer Reise Angst habe. Aber nur weil ich mich dieser Angst gestellte habe, konnte ich erfahren, dass meine Befürchtungen unbegründet waren. Ich hatte einen tollen Urlaub und bin froh, dass ich es geschafft habe, die ein oder andere Angst zu bekämpfen und mir ein Stück Freiheit zurück zu erobern, z.B. dass ich mich nach 15 Jahren wieder auf ein Motorrad gesetzt habe und das auch noch bei Linksverkehr.
Und wie war das jetzt mit dem Orang Utan?
Als das Orang Utan-Weibchen mit seinen zwei Kindern uns den Weg versperrte, ging das auch an mir nicht spurlos vorüber. Spätestens, als sich die Primatin in einer Affengeschwindigkeit den Baum hochschwang und direkt auf uns zukam, erhöhte sich meine Herzfrequenz schlagartig. Die letzten zwei Tage hatten unsere Guides ja ständig von dem aggressiven Orang Utan Mina mit seinen zwei Kindern gesprochen, die im Dschungel ihr Unwesen treibt und jetzt stand sie direkt vor uns!
Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich rational gehandelt hätte. Eher instinktgetrieben habe ich mich vor meinen Kindern breitgemacht und sie vor dem Orang Utan abgeschirmt, so dass sie Zeit hatten sich in Sicherheit zu bringen. Klar hat die Orang Utan Dame, die übrigens Jacky und nicht Mina hieß, wie wir später erfuhren, die Gelegenheit an der Hand gepackt. Aber wie ist das so, wenn man händchenhaltend mit einem wilden Tier im Dschungel sitzt?
Furchteinflößend ist was Anderes
Ehrlich gesagt, gar nicht so furchteinflößend, wie man sich das vorstellen würde. Gut, ich war schon beeindruckt, als sie ihr Maul aufriss, mich anfauchte und mir einen Blick auf ihre großen spitzen Zähne gab. Auch fand ich es nicht sonderlich erbaulich, dass sie meinen Finger als Zahnstocher missbrauchte und draufgebissen hat, aber ich hatte in diesem Augenblick nicht wirklich Angst.
Die Affendame strahlte eine besondere Ruhe aus und ich glaube sie war, neben der Tatsache, dass sie etwas zu Essen von uns erwartete, einfach nur neugierig. Nicht umsonst hat sie mit ihren spitzen Fingern über meine Haut gestrichen und mich eingehend inspiziert. Vielleicht hat sie auch gespürt, dass ich keine Angst hatte und dass von mir auch sonst keine Bedrohung für sie ausging.
Ich habe mich von ihr auf jeden Fall nicht bedroht gefühlt, aber natürlich ist mir durch den Kopf geschossen, dass es ein Leichtes für sie wäre, mir den Arm zu brechen, denn die Kraft, mit der sie meinen Arm hielt, war schon immens. Dass sie 60 kg auf einen Baum mit hochzerrt und ich dann in 10 m Höhe irgendwo hänge oder fallen gelassen werde, habe ich gedanklich schnell ausgeschlossen. Ich habe es aber vermieden sie direkt anzustarren und nur zu gerne hätte ich sie fotografiert, aber daran war in dieser Situation nun wirklich nicht zu denken.
Als sich die Guides zu mir hochgearbeitet hatten und sie ablenkten, in dem sie ihr die leeren Taschen zeigten, war es relativ einfach sich aus ihrem Griff herauszuwinden. Ich habe geschaut, dass ich mich so schnell es ging aus dem Staub zu machen, sofern das bei dem steilen Gelände möglich war. Auf der einen Seite war ich froh wieder frei zu sein, auf der anderen Seite hätte ich sie mir gerne auch noch etwas länger betrachtet.
Was habe ich mitgenommen?
Auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis! Wenn man ruhig bleibt und nicht in Panik verfällt, dann wirkt sich das auch auf die Umgebung aus.
Aber nicht nur dieses kleine Abenteuer war die Strapazen wert. Es hat mir mal wieder gezeigt, dass, wenn man sich traut, einem ganz neue Einblicke beschert werden. Denn in den zwei Tagen im Dschungel habe ich eine Menge über mich selbst und meine Grenzen herausgefunden. Bewusst Grenzen zu überschreiten ist manchmal wichtig und das geht am besten, wenn man aus seiner gewohnten Umgebung herauskommt.
Ich fand die Orang Utans so krass menschlich, dass es mir echt weh tut, wenn ich Palmölplantagen und abgerodeten Regenwald sehe. Wir nehmen ihnen, und vielen anderen Tieren ebenso, den Lebensraum, nur um an billiges Öl für Kosmetika und Speisen ranzukommen. Inzwischen schaue ich beim Einkaufen genauer hin und erzähle auch jeden, ob er es hören will oder nicht, wie es den wenigen verbleibenden Orang Utans ergeht.
Liebe Alex, das ist ein wunderbarer Artikel. Und der Anfang, mit der Angst, entspricht genau dem was ich dazu denke.
Oh, bei der “Zahnstocheraktion” konntest du still halten? Ich glaube, das war super, ihr so sehr zu vertrauen.
Hast du tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass man Wildtieren nicht in die Augen schauen darf?
Liebe Grüße von Moni
Liebe Moni,
danke schön für die Lorbeeren!
Ich hatte in dem Augenblick den Eindruck, dass sie mir nicht wirklich wehtun will und nur interessiert war. Das mit dem ‘in die Augen schauen’, habe ich irgendwo mal aufgeschnappt, kann aber sein, dass es sich evtl. nur auf Wildkatzen bezieht. Wenn man den direkten Blickkontakt vermeidet, so verhält man sich unterwürfig und ich dachte, das könnte vielleicht auch bei Orang Utans funktionieren. Da sie sich teilweise so verhalten wir, hat es ja gut geklappt.
Liebe Grüße
Alex
Hallo Alex,
das muss ein ganz eindrückliches Erlebnis gewesen sein, vielleicht ein bisschen vergleichbar mit den Begegnungen mit Haien beim Tauchen, die wir z. B. auf den Galapagos-Inseln hatten. Da gilt es auch, ruhig und besonnen zu bleiben.
Menschenaffen würde ich auch zu gern mal so aus der Nähe und in ihrem natürlichen Territorium sehen. Aber wer weiß, wie lange das noch möglich sein wird? Dir kann das keiner mehr nehmen.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Claudia,
da bleibt einen bestimmt erstmal die Luft weg! Zum Glück sind Hai nicht so schlecht, wie ihr Ruf.
Wenn man sieht, in welcher Geschwindigkeit in Indonesien Regenwälder platt gemacht werden, muss man sich tatsächlich beeilen, wenn man Oran Utans in freier Wildbahn erleben möchte.
Liebe Grüße
Alex
Liebe Alex!
Ein wundervoller Beitrag zu einer sicherlich unglaublichen Begegnung! Angst hält uns oft ab, aber das ist meist die Angst vor dem Unbekannten. Wenn man sich näher mit den Orang Utans befasst, kann man eigentlich keine Angst vor diesen wundervollen Tieren haben oder? Das muss ein mega Erlebnis gewesen sein. Aufregung und Begeisterung sind da wohl eher die vorherrschende Gefühle…
liebe Grüße
Ines
Liebe Ines,
das hast ziemlich gut erkannt! Ich denke auch, dass die Angst vor dem Unbekannten uns meist hinderlich ist. Sich auf das Unbekannte einzulassen bedeutet ja auch Neues zu entdecken und damit kommen Veränderungen ins Leben. Für viele Menschen sind Veränderungen aber eine Bedrohung und werden nicht als Weiterentwicklung aufgefasst.
Liebe Grüße
Alex
Liebe Alex,
ein toller Artikel. Ich stimme Dir absolut zu, dass man seine Ängste überwinden sollte. Gerade solche Situationen, wie Du sie hier beschreibst, bleiben ein Leben lang in Erinnerung. Ähnliche Situationen habe ich mit Kodiakbären im Katmai National Park erlebt. Das sind Abenteuer, die prägen – und süchtig machen. Wie schön, dass Du das erleben konntest.
Liebe Grüße,
Monika
Liebe Monika,
ich glaube Kodiakbären sind eine ganz andere Hausnummer! Die sind ja wirklich wild, mit denen möchte ich definitiv kein Händchen halten.
Mit Deiner Einschätzung liegst Du total richtig, solche Erlebnisse sind wirklich prägend und sie ziehen einen immer wieder aufs Neue in die Ferne.
Liebe Grüße
Alex
Wow, was für ein prägendes Erlebnis! Das muss furchteinflößend und beeindruckend zugleich sein, kann ich mir vorstellen. Ich mein so ein Orang Utan ist ja kein kleines Äffchen. Ich glaube spätestens beim Biss auf den “Zahnstocher”, wäre ich zusammengezuckt.
Und das mit Jakarta verstehe ich. Mir haben echt fast alle davon abgeraten und es war die beste Entscheidung mich dem entgegenzustellen und dich zu fliegen. Das war ein einziges Abenteuer, welches ich nicht vergessen werde!
Herzliche Grüße 🙂
Michelle
Liebe Michelle,
diese Orang Utan Dame werde ich niemals vergessen! Zum Glück konnte sie ihre Kraft gut dosieren und so habe ich mich niemals bedroht gefühlt.
Wenn es nach mir geht, dann müsste ich aber nicht unbedingt nochmal einen Flug verpassen, um eine Stadt zu besichtigen, die ich eigentlich gar nicht auf dem Schirm hatte;-)
Liebe Grüße
Alex
Liebe Alex, das ist ja wirklich ein Erlebnis, das du wahrscheinlich noch deinen Enkeln erzählst! Und das mit der Angst hast du sehr gut beschrieben. Es ist gut, sie als Warnung wahrzunehmen. Aber wichtig ist, dass wir unsere Ängste beherrschen und nicht die Ängste uns!
Liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
da hast Du recht! Die Story erzähle ich gerne weiter, weil sie einmalig und eine sehr intensive Erfahrung war.
Wenn ich sehe, was man für tolle Erlebnisse man erleben darf, wenn man sich raus in die große weite Welt traut, dann sind sie es alle mal wert, wenn man dafür über den eigenen Schatten springen muss. Und sich auch mal was wagt, was außerhalb der eigenen Komfortzone liegt.
Liebe Grüße
Alex
Wow, was für ein tolles Erlebnis!! Organ-Utans habe ich leider noch nie gesehen, davür aber jede Menge angriffslustiger Paviane in Südafrika *lach*
Liebe Grüße,
Michaela
Hi Michael,
Paviane und Makaken begegnet ich inzwischen mit ausreichend Abstand, da ich die meisten als aggresiv und diebisch kennengelernt habe. Orang-Utans sind uns sehr ähnlich, ja haben fast schon menschliche Züge, sind aber sehr saftmütig. Die Bekanntschaft mit Jackie war auf jeden Fall sehr einprägsam!
Liebe Grüße
Alex
Wir haben viel mehr Macht als die Orang Utans – ich erinnere mich an meinen ersten Flug über Borneo und dass mir damals auffiel, wie sehr es unter mir gebrannt hat. Das war 2005 und seitdem ist es nicht wirklich besser geworden.
Trotzdem glaube ich, dass die meisten der Tiere (außer sie haben gerade Junge, aber das hattest Du so gesehen ja auch…) vorsichtig sind und Dir nichts passiert wäre. Meist merken Tiere ja, ob man ihnen etwas böses will.
Das war sicher ein beeindruckendes Erlebnis.
Hallo Barbara,
dieses Erlebnis hat tatsächlich seine Spuren hinterlassen!
Prinzipiell denke ich auch, dass sie nicht bösartig sind, aber viele sind in Gefangenschaft aufgewachsen und haben Schlimmes von Mensch ertragen müssen. Wir können noch nicht einmal bei Menschen sicher vorhersagen, wie sie reagieren werden, um so schwieriger ist es bei wildlebenden Tieren. Manchmal ist der Grat zwischen Mut und Leichtsinn sehr schmal.
In Borneo und Sumatra wird großflächig Primärwald gerodet seit 2005 hat sich die Anbaufläche verdoppelt auf 90.000 qm! Und es wird weiter munter gerodet und Orang-Utans, die sich in Palmölplantagen werden abgeschossen.
Liebe Grüße
Alex
Hi Alex,
dass war sicher eine tiefgehende Erfahrung. Ich finde es schön, dass du eher zu den Mutigen gehörst, die ihre Komfortzone auch gerne mal verlassen. Wir selbst setzen uns seit vielen Jahren intensiv mit diesen Themen auseinander. Wenn du magst, dann schau doch auch mal auf einen anderen Blog von uns. (balanceoflife.eu) Bin gespannt auf dein Feedback. Aber nochmal zurück zum Artikel. Angst ist mit die grösste Bremse in unserem Leben und ich finde es super, dass du das überhaupt mal thematisiert hast.
Ein schönes Wochenende
Bruno
Hi Bruno,
war mal auf eurer Website. Ihr schreibt mir aus der Seele.
Es sind oftmals die kleinen Veränderungen, die das Leben in eine andere Richtung leiten und am Ende doch großes bewirken. Wenn ich was in letzter Zeit gelernt habe, dann ist es ins Handeln zu kommen, einfach anzufangen. Der Rest ergibt sich auf dem Weg.
Unsere Ängste und negative Glaubenssätze beschränken uns so ungemein. Das zu erkennen und dagegen anzugehen ist schwer und man muss jeden Tag von neuem damit starten.
Auch dir ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Alex